Motivation und Bodybuilding
Es wurde viel über Motivationstechniken im Sport geschrieben, aber Bodybuilding ist etwas anders. Warum?
In der Regel ist ein Sport um ein Wettkampf-Ereignis herum gestaltet; von den Athleten wird in einem bestimmten Moment eine außergewöhnliche Leistung erwartet: weiter zu springen, schneller zu laufen, schwerere Gewichte zu heben. Alternativ wird von ihnen erwartet, dass sie begabter in einem Spiel als ihre Gegner sind.
Ein Wettkampfsportler braucht Motivation, um in genau diesem Moment oder diesem Spiel besser zu sein. Damit ist nicht gesagt, dass er oder sie keine richtige Motivation in ihrer täglichen Routine brauchen, aber die Relation zwischen physischem und psychischem Stress, zwischen Leistung und Belohnung, zwischen Vorbereitung und Wettkampf und dem Wettkampf selbst ist anders, als das, was die meisten Amateure in ihrem Leben als Bodybuilder erleben werden.
In diesem Artikel möchte ich einen Einblick in die gängigsten Motivationstechniken geben und dann eine starke Alternative anbieten.
Die Psychologie des Motivierens
Bevor ich die geläufigen Motivationstechniken diskutiere, werfen wir schnell einen Blick auf die psychologischen Theorien dahinter.
Motivation ist eines der meist erforschten Gebiete menschlichen Verhaltens. Das ist nicht überraschend: es ist äußerst wichtig in Politik und Wirtschaft.
Die klassischen Theorien drehen sich um positive und negative Stärkung. Grundsätzlich tun wir Dinge, für die wir belohnt werden (man denke an Geld, Bewunderung, Liebe, das Gefühl, glücklich zu sein, das Gefühl, sicher zu sein) und tun Dinge nicht, für die wir bestraft werden (das Gegenteil der oben genannten Dinge).
Mit etwas mehr Komplexität kann man Menschen auch motivieren, sich Ziele als Herausforderung, die es zu überwinden gilt, zu setzen.
Es gibt Systeme, wie man die Motivation in mehrere Gruppen einteilen kann: wir können Dinge machen, zu denen wir gezwungen sind, für die wir belohnt werden oder die wir gerne machen. Ratet, welcher Motivationstyp die besten Ergebnisse hervorbringt J
Aktuelle Ansätze für Motivation im Bodybuilding
Die meisten Artikel über Motivation beim Bodybuilding raten, immer wieder bescheidene Ziele zu setzen und zu versuchen, diese zu erreichen. Außerdem werden sie vorschlagen, dass der Trainingsalltag abwechslungsreich gestaltet werden soll, um Langeweile zu vermeiden. Schließlich werden sie die „Taktik des sozialen Drucks“ vorschlagen: erzählt man jedem, dass man sich gesund ernährt und hart trainiert, wird man sich schämen, damit aufzuhören.
Ich möchte keinen dieser Ansätze herabwürdigen, aber ich glaube nicht, dass sie sich für die spezifischen Bedürfnisse von Amateuren im Bodybuilding/Fitness Communities eignen.
Erstens – sich Ziele setzen, egal wie klein, kann sich dann als problematisch erweisen, wenn man sie einfach nicht erreichen kann.
Zweitens – man braucht Phasen mit weniger intensivem Training (lies hierzu den Artikel über die Periodisierung) und während dieser Phasen sollte man definitiv nicht versuchen, die Kraft oder Muskelgröße zu vergrößern.
Drittens – sich selbst neue und kleine Ziele zu setzen kann selbst zu einer langweiligen Routine werden.
Der Ansatz des „sozialen Drucks” kann äußerst problematisch werden. Was wir bei unserem Training am meisten brauchen, ist LANGFRISTIGES ENGAGAMENT. Wir brauchen wirklich kein kurzfristiges Ziel um 100 kg zu heben oder einen flachen Bauch zu bekommen. Wir brauchen langfristiges Engagement, um einen flachen Bauch beizubehalten und auch noch mit 50 die 100 kg heben zu können.
Beim Amateurbodybuilding und Fitnesstraining geht es nicht darum, sich auf einen Wettkampf vorzubereiten, eine Medaille zu bekommen und nach Hause zu gehen. Es geht darum, eine Physis zu entwickeln, die dem Gemütszustand entspricht.
Deswegen ist unsere Einstellung zum Training ein bisschen wie eine Hochzeit. Es ist nicht schwer, verheiratet zu sein, aber es ist nicht einfach, das Feuer für die kommenden Jahre zu erhalten, in guten wie in schlechten Zeiten. Wenn man mit seinem Partner zusammen bleibt, weil „was würden die Leute sagen, wenn ich ihn/sie verlasse?“, würde man dazu neigen, zu betrügen oder im schlimmsten Falle endet man in einem schlimmen Gefühlschaos.
Es gibt noch eine weitere Methode, die sehr vorsichtig angewendet werden sollte. Es ist die Motivationsmethode, die als „Positives Selbstkonzept” bekannt ist. Man hat es in vielen Hollywood-Verfilmungen gesehen: die Helden, die immer wiederholen „Ich bin der Beste! Ich bin der Beste!” und so wirklich zum Besten der Welt (in ihrem Land, ihrer Schule, ihrer Straße, was auch immer werden).
Ein positives Selbstkonzept kann eine starke Waffe sein, aber nur, wenn es richtig angewandt wird. Wenn man 50 kg stemmt und man von allen im Fitnessstudio verspottet oder ignoriert wird und sich selbst immer wieder sagt „Ich bin der Beste“, wird man niemanden überzeugen – und natürlich sich selbst auch nicht. Unbewusst weiß man, dass das eine Lüge ist und den Glauben an sich selbst völlig verlieren.
Stattdessen sollte die Mantra lauten „Ich kann mich verbessern” – weil man sich wirklich verbessern KANN und viel besser werden kann, als man es gerade ist.
Aber ich verspreche euch etwas Neues und Besseres. Ok, hier kommt es. Mein Rezept für eine langfristige Motivation, die so genannt wird:
Selbst-Identifikation
Habt ihr schon mal bemerkt, dass moderne, westliche Menschen ein ernstes Problem mit Identität haben? Dies ist eines der vielen Ergebnisse von sozialen Veränderungen, denen unsere Gesellschaft im 20. Jahrhundert unterlaufen ist. Wenn man im 13. Jahrhundert einem Europäer die Frage gestellt hätte „Wer bist Du?“, hätte er kein Problem damit gehabt, so etwas zu antworten wie „Hallo, ich bin Marcel, Zimmermann aus Lyon“.
Wenn man Marcel heute ein Blatt Papier geben würde (und er wüsste, wie man schreibt), wäre es nicht schwer ihn eine Liste mit 5 Dingen schreiben zu lassen, die er ist. Seine Liste würde höchstwahrscheinlich so aussehen.
- Ich bin ein Christ.
- Ich bin ein Zimmermann.
- Ich bin Einwohner von Lyon.
- Ich bin Sohn von Pierre, dem Zimmermann
- Ich bin der Ehemann von Marie und Vater von 5 Kindern.
Perfekt. Jetzt versuche, Deine Liste zu machen. Ich habe das oft mit Studenten aus Westeuropa gemacht. Für sie war es eine harte Zeit, ihre Liste zu vervollständigen (unsere waren länger, 10 Dinge). Am Ende fingen viele von ihnen an mit „ich bin ein Mensch“, „Ich bin eine Frau“ etc.
Warum wir das diskutieren? Weil man dazu neigt, sich so zu verhalten, wie derjenige, mit dem man sich identifiziert. Wir sind es gewohnt, unsere Rollen zu spielen – ob bewusst oder unbewusst. Man kann am Tag ein Manager sein und abends ein Manchester United Fan. Am Wochenende kann man Koch sein und wieder spielt man eine andere Rolle.
Ich möchte, dass ihr „Ich bin ein Bodybuilder“ nicht weiter unten als an dritter Stelle in eurer Liste auflistet. Natürlich kann man sich vielleicht auch besser mit „Sportler“ oder „Fußballspieler“ identifizieren. Das ist nicht wichtig.
Was wichtig ist – dass ihr euch wirklich mit dieser Rolle identifiziert. Schließlich ist es das, was Du wirklich bist. Also akzeptiere es. Jetzt ist es nicht mehr schwer, ins Fitnessstudio zu gehen, denn das ist, was ein Bodybuilder tut. Würdet ihr wirklich lieber in der Kneipe sitzen und ein Bier trinken? Ich glaube nicht. Es passt einfach nicht zu eurer Rolle.
Marcel war sehr stolz darauf, ein Zimmermann zu sein. Er war ein Mitglied der Zimmermannsgilde und nahm an allen sozialen Veranstaltungen der Gilde teil. Ihr solltet auch stolz darauf sein, ein Bodybuilder zu sein. Bodybuilding ist ein Lebensstil.
Wenn ihr euch einmal damit identifiziert habt, ein Bodybuilder zu sein, wird euch keine Verletzung oder persönliche Krise aufhalten. Schließlich hört man auch nicht auf, Amerikaner (oder Moslem, Baptist, Student, Vater, Feministin, Biologe oder Klempner) zu sein, weil man sich das Knie verletzt hat.
Ihr werdet Artikel lesen (ihr tut es schon) und vielleicht auch Bücher über Bodybuilding und einen gesunden Lebensstil. Es wird ein Teil von euch werden.
Je mehr man über Sport weiß, desto schwerer ist es, ohne ihn zu leben. Würde man wirklich die Gesundheitsvorteile und den bewundernswerten Körperbau gegen Schokoladenkuchen, einen fetten Bauch und hohen Blutdruck eintauschen? Ich glaube nicht.
Zu wissen, wer man ist, gibt einem ein Gefühl von Sicherheit und weniger Verwirrung. Man weiß, wozu man bestimmte Sachen macht und wo sein Platz in der Welt ist. Es muss nicht die „erste Identität” sein. Man kann immer noch Pilot, Jude oder Anarchist sein. Aber man ist eben auch Sportler und das ist auch etwas.
Als Sportler muss man nicht unbedingt einen stark muskulösen Körperbau haben. Aber man ist jeden Tag fitter und stärker. Man hält schlechte Gewohnheiten in Schach. Und man ist JEMAND.