Proteine vor dem Workout vs. Proteine nach dem Workout
Die Vorteile von Protein- und/oder Aminosäuredrinks wurden durch so viele wissenschaftliche Studien belegt, dass wir sicher sagen können, dass Proteinpräparate ihren Platz in der Bodybuilder-Ernährung sicher haben.
Was hingegen weniger ausführlich erforscht wurde, ist der richtige Zeitpunkt der Proteineinnahme. In diesem Artikel versuchen wir, unser derzeitiges Wissen zusammenzufassen und einige Schlüsse daraus zu ziehen.
Grundlagen: im nüchternen oder gesättigten Zustand?
Vor nicht allzu langer Zeit war die herrschende Meinung unter Trainern in vielen Sportarten, dass der nüchterne Zustand zu bevorzugen sei, wenn es im körperlichen Training nicht unvermeidlich ist. Der Gedankengang war der: Verdauung ist ein energetisch anspruchsvoller Prozess; der Körper muss sich ausruhen, um ordentlich verdauen zu können und der Verdauungstrakt muss überlastet sein (voller Blut), damit er richtig arbeiten kann. Körperliche Aktivität entzieht das Blut und die Energie in andere Körperregionen (Muskel) und kann deswegen nicht im nüchternen Zustand durchgeführt werden.
Andererseits waren energiespendende Präparate schon vor Jahrzehnten auf dem Markt und sogar vor Ausbruch des Nahrungsergänzungsmittel-Booms haben Sportler Zucker eingenommen, um schnell ihre Energiereserven aufzufüllen.
Die meisten von uns kennen die typische Müdigkeit, die uns nach einem schweren Essen überkommt. Es ist kein Wunder, dass die meisten Industrienationen (wie die Niederländer und Deutsche) zum Mittag nur Salate oder Brote zum Mittag essen. Schwere Mahlzeiten werden nur abends oder an den Wochenenden serviert. In Ländern wie Frankreich, wo ein reichliches Mittagessen Teil der nationalen Identität ist, wird traditionell viel Zeit für die Mahlzeit aufgewendet (so dass man nicht gleich nach dem Mittagessen zur Arbeit zurückkehrt).
Das ist etwas, was wir sehr ernst nehmen müssen. Eine Mahlzeit vor dem Training ist vielleicht keine schlechte Idee, sollte aber niemals groß und schwer sein, weil es das Training beeinträchtigen und nicht richtig verdaut werden kann. Sonst ist alles, was man bekommt, ein Muskelgeschwür und wenig Muskelwachstum.
Warum ein Drink nach dem Training?
Die Theorie hinter den Post-Workout-Drinks basiert auf zwei etablierten Fakten: zuerst wird die Einnahme von Protein zur Proteinbiosynthese im Muskel führen (aufbauende Wirkung) – auch ohne Widerstandstraining (wenn auch in kleinerem Maße) und zweitens erhöht Widerstandstraining die Muskel-Proteinbiosynthese-Rate.
Die ersten Versuche mit Widerstandstraining haben die Proteinbiosynthese-Rate direkt nach der Übung gemessen, was Sinn macht, wenn man mögliche Fehlerquellen und verschiedene Einflüsse umgehen will (Ernährung, Lebensstil der Probanden etc.). Und da festgestellt wurde, dass die Muskel-Proteinbiosynthese nach dem Workout erhöht ist, übernahm die Sportler Community die Regel, dass Protein sobald wie möglich nach dem Training eingenommen werden soll.
An diesem Ansatz ist vielleicht nichts Falsches dran, besonders da Proteindrinks auch andere Inhaltsstoffe zur sofortigen Auffüllung erschöpfter Energiequellen enthalten.
Jedenfalls ist es wichtig zu erwähnen, dass neuere Versuche die Muskel-Proteinbiosynthese 24 Stunden nach dem Workout untersucht haben und herausfanden, dass die Proteinbiosynthese-Rate auch dann noch deutlich erhöht ist (z. B. Enhanced amino acid sensitivity zu je myofibrillar protein synthesis persists for up to 24 h after resistance exercise in young men, N.A. Burd and colleagues, 2011).
Die Tatsache, dass die Proteinbiosynthese auch noch 24 Stunden nach dem Training erhöht ist (natürlich nur dann, wenn auch genug Eiweiß vorhanden ist), sollte nicht falsch verstanden werden, dass „die Proteinsynthese nur 24 Stunden nach dem Training erhöht ist“. Nein. Wir wissen nur, dass der Körper nach einem Tag immer noch in einer anabolen Phase steckt. Diese Phase kann auch 3 Tage nach dem Training noch andauern – wir wissen es wirklich noch nicht.
Sicher ist aber, dass das Fenster für die Proteinnahrungsergänzung relativ weit offen ist.
Protein/Aminosäureverfügbarkeit während des Workouts
Nun scheint es auch ziemlich vernünftig zu erwarten, dass sich eine Proteinergänzung während des Workouts vorteilig auf das Muskelwachstum auswirkt.
Wenn wir unseren Körper mit Eiweißbausteinen versorgen wollen und der Zeitpunkt eine Rolle spielt, müssen wir den Vorgang der Proteinspaltung einbeziehen. So würden wir damit rechnen, dass freie Aminosäuren sofort verfügbar sind, Molkeeiweißhydrolysat sehr bald nach der Einnahme und Molkeeiweiß innerhalb von 30 bis 60 Minuten. Casein würde nicht so schnell verdaut werden und ist daher für diese Form der Nahrungsergänzung nicht geeignet.
K.D. Tipton & Kollegen von der University of Texas experimentierten mit Aminosäuren, die unmittelbar vor und nach der Übung verabreicht wurden. Der Versuch zeigte, dass die Proteinbiosynthese bei der Pre-Workout-Gruppe größer war. Der Unterschied in der Aufnahme von Phenylalanin in den Muskeln war deutlich: 209 im Gegensatz zu 81.
Als der gleiche Versuch mehrere Jahre später von demselben Team noch einmal mit Eiweiß statt freien Aminosäuren wiederholt wurde, war der Unterschied zwischen der Pre-Workout-Gruppe und der Post-Workout-Gruppe unwesentlich.
Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist, dass das Eiweiß einfach nicht rechtzeitig gespalten wurde, um während des Workouts verfügbar zu sein.
Unser Urteil
Nach den neuesten Erkenntnissen sollten Bodybuilder in gesättigtem Zustand trainieren, aber nicht unmittelbar nach einer großen Mahlzeit. Eine Dosis frei verfügbarer Aminosäuren (BCAA oder Vollspektrum-AS) sollten vor dem Workout eingenommen werden. Proteinpräparate und hoch eiweißhaltige Nahrung sollte in mehreren Dosen verteilt in den 24 auf das Training folgenden Stunden aufgenommen werden (auch an trainingsfreien Tagen).