Periodisierung im Bodybuilding – Teil 1
Periodisierung ist ein grundlegendes Konzept in allen Sportarten. Professionelle Sportler müssen ihr Training in mehrere Phasen einteilen: das sind normalerweise allgemeine körperliche Vorbereitung, Sportart-spezifische Vorbereitung, die vor einen wichtigen Wettkampf ihren Höchstpunkt erreicht und natürlich die Ruhephase.
Die längste Trainingsphase nennt man MAKROZYKLUS. Diese beträgt meistens ein Jahr, aber manche Athleten trainieren vielleicht für Wettkämpfe, die aller 2 Jahre stattfinden, dann wird deren Makrozyklus zwei Jahre dauern. Für olympische Sportler gilt die gesamte Dauer von 4 Jahren zwischen den Olympischen Spielen als ein langer Makrozyklus.
Ein Makrozyklus besteht aus mehreren kurzen Phasen oder auch Mesozyklen. Ein Mesozyklus kann sowohl 2 Wochen als auch 4 Monate bestehen, abhängig vom jeweiligen Sport.
Ein Mesozyklus ist wiederum in MIKROZYKLEN aufgeteilt. Ein Mikrozyklus dauert meist 1 Woche und dient allein zu Übungszwecken. Wenn aber ein Trainingsplan streng aus 4 Tagen Training und einem Tag Pause besteht und man entscheidet, das Wochenende zu ignorieren, dann hat der Mikrozyklus 5 Tage.
Schließlich besteht jeder Mikrozyklus aus TRAININGSEINHEITEN. Die meisten von uns haben eine Trainingseinheit am Tag (tägliches Workout), aber manche Profisportler haben bis zu 3 Workouts am Tag.
Der Makrozyklus eines typischen Bodybuilders besteht aus einer Aufbauphase, Abnehmphase, erreicht ihren Höhepunkt für Mr. Olympia oder einen anderen Wettkampf und einer Ruhephase.
Ist Periodisierung auch etwas für Amateursportler?
Obwohl die meisten Hobbybodybuilder die Periodisierung ignorieren, hat sie mehrere ausgeprägte Vorteile, die einfach nicht ignoriert werden können:
- Sportler, die Periodisierung anwenden, erreichen bessere Ergebnisse in den Bereichen Kraft und Körperzusammensetzung. Das wurde durch mehrere wissenschaftliche Studien bewiesen.
- Der Wechsel zwischen schwerem Training und leichtem bis mittlerem Training. Dieser Ansatz ist wichtig für die Gesundheit der Gelenke.
- Man umgeht endlose Routine ohne Aussicht auf Veränderung. Der psychologische Einfluss von Routine beim Training sollte nicht unterschätzt werden.
- Dekonditionierung des zentralen Nervensystems (ZNS). Man kann nicht immer nur die Belastung erhöhen. Aber ohne schrittweise Erhöhung des Belastungswiderstandes nehmen die Ergebnisse ab. Die Phase zwischen den Makrozyklen hilft dem ZNS die Belastung „zu vergessen“ und dann kann man wieder mit niedrigeren Gewichten anfangen.
- Ausdauertraining. Für einige Bodybuilder (besonders Hardgainers) ist es nicht die beste Idee, in jedem Makrozyklus auch Ausdauertraining einzubauen. Sie können zwischen aufbauenden Makrozyklen ohne Ausdauertraining und leichteren Makrozyklen mit ein bisschen Cardiotraining wechseln.
Häufige Missverständnisse
Bevor man mit seinem eigenen Makrozyklus beginnt, sollte man etwas über die häufigsten Ansätze der Periodisierung im Bodybuilding erfahren:
Das Problem ist, dass die meisten Autoren mit alten, nicht-wissenschaftlichen Ideen arbeiten, wenn sie einen Trainingsplan anbieten. Was meine ich mit nicht-wissenschaftlich? Das sind sicher gut gemeinte Trainingspläne, aber sie basieren lediglich auf persönlichen Erfahrungen und nicht auf Forschungsergebnissen.
Ein häufiger Ansatz von Wissenschaftlern sieht so aus:
- Informationen und Erfahrungen sammeln
- Eine Arbeitshypothese schaffen
- Versuch, die Hypothese durch Tests und Forschung zu bestätigen (widerlegen)
Leider werden wir in der Bodybuilding Community Zeugen eines anderen Trends:
- Informationen und Erfahrungen sammeln
- Eine Arbeitshypothese schaffen
- Gib ihr einen eingängigen Namen, erzähle jedem, dass es die ultimative Muskelaufbau-Methode ist und verdiene damit so viel Geld wie möglich
Warum ich das in einem Artikel über die Periodisierung erwähne? Weil man bei der Suche im Web auf viele Periodisierungsprogramme für Bodybuilder stoßen wird, die auf fehlerhaften Theorien basieren.
Bevor wir damit anfangen, unseren eigenen Makrozyklus anzufangen, frischen wir unser Wissen über Muskel- und Kraftaufbau auf:
a) Wenige Wiederholungen und großer Widerstand (über 75 oder 80% 1RM) sind am besten für die Kraft, aber so werden auch die Muskeln wachsen. Die Forschung hat ergeben, dass für das Muskelwachstum 8-10 Wiederholungen nicht besser sind als 3-5 Wiederholungen.
b) Leichtere Gewichte (sogar 30% 1RM) bis zum totalen Versagen zu heben, wird das Muskelwachstum ebenso stimulieren, wie es das auch bei höherer Belastung tun würde, ob wohl das weniger dem Kraftzuwachs dienen würde. In diesem Fall macht es keinen Sinn, eine bestimmte Anzahl von Wiederholungen vorzuschreiben. Muskelwachstum wird durch Muskelversagen stimuliert, also ist das Versagen unser Ziel.
c) Langsame Bewegungen (z. B. 3 Sekunden Kontraktion und 3 Sekunden Relaxation) werden dem Muskel schließlich Sauerstoff entziehen und die anabole Stimulation in einem ähnlichen Mechanismus wie beim totalen Muskelversagen erhöhen.
d) Die idealen Pausen zwischen den Sätzen dauern 2 bis 3 Minuten. Wir kennen keine glaubwürdigen Untersuchungen, die die Vorteile von kürzeren oder längeren Pausen belegen.
Das Allgemeine Anpassungssyndrom
Die Periodisierung im Sport basiert überwiegend auf der Theorie, dass der Körper auf Belastung reagiert, erstellt vom ungarisch-kanadischen Wissenschaftler Hans (Janos) Selye (1907-1982).
Selye prägte den Begriff des Allgemeinen Anpassungssyndroms (AAS), das allgemein drei Phasen von Reaktionen auf jede Art von Stress, ob physisch oder psychisch, beschreibt:
- Alarmreaktion. Das ist die „Kämpfe oder Flüchte”-Antwort, begleitet von der Freisetzung von Nährstoffen für Muskelaktivität, aber auch von der Freisetzung kataboler Hormone (in unserem Fall ist das Krafttraining der Stressfaktor)
- Widerstandsstadium. Der Körper gewöhnt sich an den Stress – in unserem Fall baut er neues Muskelgewebe auf und erhöht die Kraft.
- Erschöpfungsstadium. Wenn der Stress zu lange dauert, verliert der Körper die Fähigkeit sich anzupassen und der Anpassungsmechanismus bricht zusammen. Als Reaktion auf psychologischen Stress kann das Erschöpfungsstadium hohen Blutdruck und Myokardinfarkte oder den kompletten Verlust der Immunität bedeuten. Beim Sport sind das Übertraining, katabole Prozesse und Verletzungen.
Im Bodybuilding und anderen Sportarten setzen wir unseren Körper Stress aus und erwarten von ihm, dass er sich anpasst, indem er Kraft und die Körperzusammensetzung erhöht. Wir führen gezielt das Widerstandstadium herbei und versuchen, das Erschöpfungsstadium zu vermeiden. Und das kann am besten durch Periodisierung umgesetzt werden.
Häufige Formen der Periodisierung im Bodybuilding
Die Periodisierung des Trainings bei Bodybuildern beinhaltet in der Regel die Manipulation mit dem Trainingsumfang und der Trainingsintensität. Der grundlegende Ansatz besteht darin, mit hohem Umfang und geringerer Intensität zu beginnen und schrittweise das Volumen bei gleichzeitiger Erhöhung der Intensität herabzusetzen.
Praktisch bedeutet das, dass wir mit vielen Wiederholungen und leichten Gewichten beginnen und die Anzahl der Wiederholungen verringern, während wir das Gewicht erhöhen.
Manche Kraftsportler entscheiden sich dafür, das Gewicht auf den Punkt temporären Übertrainings (korrekt Übersteigerung) zu erhöhen und dann zu leichteren Gewichten zurückzukehren.
Es gibt mehrere ähnliche Methoden, die auf dieser Formel der Periodisierung basieren.
Typischerweise würde man mit 10 bis 12 Wiederholungen und einem angemessenen Gewicht (sagen wir 60 % 1RM) beginnen. Die Anzahl der Wiederholungen würde schrittweise auf 1 bis 3 reduziert und das Gewicht auf 95 % 1RM gesteigert. Dann würde eine Übergangsphase folgen, mit ca. 30 % 1RM Gewichten und einer hohen Anzahl Wiederholungen (13 bis 20).
Vor der Umsetzung eines Periodisierungsplans, der auf den Muskelaufbau abzielt, sollte man sich zweier Fakten bewusst sein:
- Die meisten Artikel über Periodisierung, die man in Bodybuilder Magazinen und Internetseiten findet, sind eigentlich Programme für Powerlifter. Sie zielen auf maximalen Kraftzuwachs ab, nicht auf Muskelzuwachs.
- Die meisten Periodisierungsprogramme arbeiten mit alten Dogmen (mehr Wiederholungen mit weniger Gewicht für das Muskelwachstum, weniger Wiederholungen mit höher %igem Gewicht 1RM diene dem Kraftzuwachs) und beziehen keine neuen Erkenntnisse über das Muskelwachstum ein.
In Teil 2 dieser Serie werde ich euch in die beliebtesten Powerlifter-Periodisierungpläne einführen. Wir diskutieren deren Stärken und Schwächen und ihren Nutzen für Bodybuilder. In Teil 3 versuchen wir, einen effektiven Periodisierungsplan für Bodybuilder zu erstellen, der auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert.