Die intrinsische Muskelwachstumstheorie
Bis zuletzt war die gängige Annahme, dass das Muskelwachstum durch folgende Mechanismen verursacht wird:
- Stimulation durch Widerstandsübungen
- Freisetzung von Testosteron und Wachstumshormon
- Freisetzung von Wachstumsfaktoren (insbesondere IGF-I)
- Erhöhte Proteinbiosynthese
Diese Hypothese wurde durch zahlreiche Wissenschaftler zunehmend in Frage gestellt. D.W. West und S.M. Phillips von der McMaster University, Hamilton, Kanada behaupten, dass „… es eine hartnäckige Vorstellung (sowohl in der wissenschaftlichen Literatur und auch unter Hobbygewichthebern) ist, dass die durch Training hervorgerufene Freisetzung des Wachstumshormons und von Testosteron die muskuläre Hypertrophie mit Widerstandstraining unterstützen. Das ist eine voreilige Annahme, denn obwohl pharmazeutische Wachstumshormon-Supplementierung die Muskelkraft oder –größe bei manchen Menschen mit einem klinischen Defizit des Wachstumshormons erhöhen kann, gibt es keinen Beweis dafür, dass vorübergehende durch Übung indizierte Veränderungen des Wachstumshormons dieselben Auswirkungen auf Menschen mit einem normalen Wachstumshormonspiegel haben. Übungsparadigmen werden basierend auf der Annahme (nicht notwendigerweise evidenzbasierte Mechanismen) entworfen, dass das Wachstumshormon und Testosteron aufbauende Prozesse ermöglichen, die zur Anlagerung von Skelettmuskeleiweiß und Hypertrophie führen. Unsere heutige Arbeit bezweifelt diese Vermutung. Stattdessen indizieren unsere Daten, dass eine durch Training indizierte hormonelle Erhöhung die intrazellulären Marker von anabolischen Signalen oder die Erhöhung der myofibrillären Proteinbiosynthese nach dem Training nicht verbessert. Außerdem zeigten die Daten unserer Trainingsstudie, dass die durch Training indizierte Erhöhung der Wachstumshormon- und Testosteron-Verfügbarkeit nicht notwendig sind und die Kraft- und Hypertrophieanpassungen nicht verbessern. Stattdessen lassen uns unsere Daten zu dem Schluss kommen, dass die lokalen Mechanismen, die untrennbar mit dem Skelettmuskelgewebe verbunden sind, welches die resistiven Kontraktionen (z. B. Gewichtheben) ausführt, besonders den Anabolismus stimulieren.“ (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20959702 )
Die Bedeutung von Wests Nachforschung liegt hauptsächlich in der Beobachtung der IGF-I. Dieser Wachstumsfaktor ist fast immer von Muskelwachstum begleitet, jedoch behauptet West, dass es keine direkte Verbindung zwischen einem erhöhten IGF-I-Spiegel und erhöhter Proteinbiosynthese in den Muskeln gibt.
Ein weiteres Zitat aus einer anderen Studie von West und seinen Kollegen: „Während jedoch diese Hormone (Testosteron, Wachstumshormon, IGF-I) im Kindesalter sowie in der Pubertät eindeutig aufbauend wirken, ebenso wenn sie überdosiert exogen verabreicht werden, haben die vorübergehenden Anstiege der Hormonkonzentration nach dem Training kaum Auswirkungen, weder auf die akute Proteinbiosynthese, noch auf die proteinsynthetische Reaktion oder auf einen hypertrophischen Phänotyp nach dem Widerstandstraining. Somit sind die akuten Erhöhungen der Körperhormone nach dem Training keinesfalls ein Proxy-Marker für den Aufbau, da sie die Kapazität der Muskeln für die Hypertrophie in keiner messbaren Weise unterstützen.“ (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20541030 )
Was also sind diese intrinsischen Mechanismen?
„…die akute Aktivierung der intrinsisch angesiedelten Signalproteine, wie zum Beispiel p70(S6K) und die akute Erhöhung der Muskelproteinbiosynthese spiegeln eher das Anstiegspotential der Muskelmasse mit Widerstandstraining wider. Letztendlich werden lokale Mechanismen durch den durch Muskelbelastung erzwungenen Stress aktiviert und bereiten den Muskel auf die Proteinzunahme vor. Membrane-derived molecules and tension-sensing pathways are two intrinsic mechanisms implicated in upregulating the synthesis and incorporation of muscle proteins into the myofibre in response to mechanical stress derived from loaded contractions.” (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20541030 )
Dies ist eine sehr wichtige Entwicklung in der Muskelwachstumsforschung. Wenn wir berücksichtigen, dass solche Dinge relative neu sind (diese Zitate stammen aus im Jahr 2010 veröffentlichten Studien), können wir erwarten, dass viele andere Teams versuchen, die intrinsischen Mechanismen näher zu erklären.