Sarkoplasmatische versus myofibrilläre Muskelwachstumstheorie
Ohne fundiertes Wissen über den Zusammenhang des ZNS (Zentralen Nervensystems) und dem Muskel ist es unmöglich, den Mechanismus der Muskelkraftentwicklung vollständig zu erfassen (siehe dazu den Artikel über KRAFT hier).
Ein solcher Mangel an fundierten Kenntnissen führte wahrscheinlich zur Entstehung der Theorie mit dem Namen „Sarkosplasmatisches versus myofibrilläres Muskelwachstum“.
Die Theorie lautet wie folgt:
-Bodybuilder haben eine große Muskelmasse, doch fehlt es an Kraft (was eigentlich nicht stimmt)
-Gewichtheber und andere haben weniger Muskelmasse, aber mehr Kraft (was auch dubios ist)
-Es muss einen Unterschied in der Muskelstruktur geben, die typisch für Bodybuilder ist und der, die typisch für Gewichtheber ist (das ist vielleicht richtig, aber in einer anderen Art, als es diese Theorie ursprünglich vorsieht).
-Die Erklärung ist, dass während die Muskelfasern von Bodybuildern meist durch sarkoplasmatische Flüssigkeit aufgebläht sind (falsch), die Muskelfasern von Gewichtshebern dagegen dick sind und aus mehr Protein bestehen.
Es sollte bemerkt werden, dass diese Theorie unter Trainern und nicht unter Wissenschaftlern entstanden ist. Sicher klingt das für Sportler, die Kraftsportarten betreiben, sehr attraktiv, da sie die von den Bodybuildern wahrgenommene Egozentrik und mangelnde sportliche Leistung satt haben.
Bevor wir in die Details der wissenschaftlichen Beweise (oder deren Fehlen) bezüglich der sarkoplasmatischen versus myofibrilläre Theorie eintauchen, versuchen wir zunächst einmal (kurz) zu erklären, was der Unterschied zwischen Krafttraining und Muskelaufbautraining ist.
In den meisten Kraftsportarten ist die Anzahl der Übungen normalerweise begrenzt (typischerweise 2 bis 3), die absolviert werden müssen. Nehmen wir zum Beispiel das Powerlifting. Die drei Wettkämpfe finden im Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben statt. Es gibt eine bestimmte Art und Weise, wie diese Wettkämpfe ausgetragen werden müssen. Wenn man sich also zum Ziel setzt, seine Leistung beim Bankdrücken zu erhöhen, muss man die meisten Energie in das Training dieser bestimmten Bewegung investieren, die bestimmte Muskelgruppen beansprucht.
Man trainiert das ZNS (Zentrales Nervensystem), so viele Muskelfasern wie möglich in diese bestimmte Bewegung zu involvieren, und trainiert besonders bestimmte Muskelgruppen.
Es gibt keinen Grund dafür, viel Zeit mit dem Training von nicht in den Wettkämpfen involvierten Muskeln, wie zum Beispiel dem Bizeps, zu vergeuden. Und natürlich macht es auch wenig Sinn, Zeit und Energie in das Training von sagen wir Schultermuskeln zu investieren, wenn diese beim Bankdrücken gar nicht beansprucht werden.
Beim Bodybuilding versucht man hingegen, ein Gleichgewicht zu erreichen: jeder Teil jedes Muskels wird trainiert und die Kraft, die aus der ZNS-Koordination stammt, wird ignoriert.
Wenn wir also die Wichtigkeit des ZNS in der ordnungsgemäßen Ausführung verschiedener Übungen außer Acht lassen, ist die Muskelmasse von trainierten Muskeln bei Bodybuildern und Kraftsportlern nicht sehr unterschiedlich.
Einige kleine Unterschiede mögen existieren, aber sie bestätigen nicht die Theorie von „aufgeblähten“ Muskelfasern.
Wissenschaftlicher Beweis
Tesch und Larsson beschrieben die Muskelfasern von Bodybuildern und Gewichthebern. (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6890445 ). Es gab tatsächlich einige Unterschiede, aber keiner davon bestätigte die Gültigkeit der Sarkoplasmatisch versus Myofibrillär Theorie. Die Muskelfasern der Bodybuilder waren nicht größer. Im Gegenteil: „… der Prozentsatz der FT-Fasern war geringer, das bedeutet, dass der Faserquerschnitt kleiner und selektive Faserhypertrophie nicht erkennbar war. Die Werte für die Zusammensetzung von Fasertypen und Fasergröße waren sehr ähnlich mit denen, die für Sportstudenten und nicht krafttrainierten Menschen dokumentiert worden waren.“
Wichtiger noch ist, dass es keinen Beweis für die sarkoplasmatisch/myofibrillär Theorie in der wissenschaftlichen Literatur gibt. Obwohl sie einem Buch von Zatsiorsky und Kraemer (Science And Practice of Strength Training, 2006) erwähnt, jedoch weder von den Autoren erklärt wird, noch bieten sie irgendwelche Referenzen wissenschaftlicher Studien. Das sorgfältige Lesen des genannten Buchs zeigt auch, dass seine Autoren sich manchmal auf begrenzte, dubiose oder unbestätigte Quellen verlassen und Erklärungen machen, die nicht durch solide wissenschaftliche Nachweise belegt wurden (zum Beispiel bei der Beschreibung von Muskelhyperplasie).
Existiert sarkoplasmatisches Wachstum überhaupt?
Genau wie die myofibrilläre Proteinbiosynthese ist auch die sarkoplasmatische Proteinbiosynthese ein messbarer Wert. Wie aber Nachforschungen zeigen (z. B. N.A. Burd & Colleagues, 2010), wird die sarkoplasmatische Proteinbiosynthese nur durch Proteinaufnahme erreicht und nicht durch Widerstandstraining beeinflusst.