Nebenwirkungen von anabolen Steroiden
Über anabole Steroide wurde viel geschrieben und ehrlich gesagt – das meiste wurde von Menschen geschrieben, die sehr wenig über diese Substanzen wissen.
Das sind entweder aufgewärmte Anti-Drogen-Verfechter, die den großen Unterschied zwischen Drogen und Narkotika nicht wirklich verstehen oder die Steroid-Konsumenten selbst.
Letztere Gruppe tendiert (ziemlich offensichtlich) dazu, die mit Steroiden und deren Missbrauch verbundenen Gefahren zu unterschätzen.
Die meiste ernstzunehmende Forschung auf dem Gebiet der anabolen, androgenen Steroide (AAS), bei denen es sich tatsächlich um Testosteron –Derivate handelt, fand in den 1960er und 1970er Jahren statt. Seit dem und insbesondere nach 1990 (als in den USA die Anti-Steroid-Gesetze verabschiedet wurden) wurde dieses Thema innerhalb der Wissenschaftler-Kreise wie die Pest gemieden.
Wir müssen uns deswegen auf eine Mischung an wissenschaftlichen Studien, persönlichen Erfahrungen von älteren Bodybuildern und den Beobachtungen erfahrener Trainer verlassen.
Verschiedene Steroide verursachen unterschiedliche Nebenwirkungen
AAS sind eine Gruppe von Substanzen. Als solche verursachen sie nicht alle die gleichen Nebenwirkungen. Die folgende Liste zeigt einige gebräuchliche Steroide und ihre typischsten Nebenwirkungen, geordnet von den gefährlichsten zu den mildesten.
Oxymetholon, Fluoxymesteron – extreme leberschädlich
Nandrolon – sehr schwere Testosteronhemmung, Schädigung der Blutgefäße
Danabol, Stanozolol (oral) – leberschädlich, Testosteronhemmung
Testosteron Enanthate/Propionat, Trenbolon – Testosteronhemmung
Boldenon, Methenolon – leichte Testosteronhemmung
Oxandrolon – sehr leichte Testosteronhemmung
„Leicht” ist hier bitte als relativer Begriff zu verstehen: Steroide wie Boldenon können bei einigen Menschen immer noch sehr schwere Reaktionen hervorrufen. Ebenso muss betont werden, dass die meisten Steroide eine ganze Reihe von anderen Symptomen verursachen, insbesondere Gynäkomastie (weibliche Brust bei Männern, die durch direkte oder indirekte Aktivierung der Östrogene entstehen), Akne, Haarausfall, Stimmungsschwankungen und Herzflattern.
Testosteronhemmung
Die Testosteronhemmung, mit anderen Worten eine gesenkte Testosteronproduktion, wird früher oder später jeden Benutzer von Steroiden ereilen.
Manche Menschen finden andere Nebeneffekte der AAS haltbar: man kann weniger anfällig für androgene Nebenwirkungen wie Akne oder Haarausfall sein, man kann die orale Einnahme von Pillen und damit von Leberschäden vermeiden und man kann auch ohne anabole Steroide auskommen, die aromatisieren oder direkt die Östrogenrezeptoren stimulieren (die Gynäkomastie und andere Probleme verursachen).
Aber der Körper wird immer auf zusätzliches Testosteron (oder Derivate) reagieren und die eigene Testosteronproduktion senken.
Dies wird durch einen Mechanismus verursacht, den man negative Rückkopplungshemmung nennt: die Produktion jedes Hormons, dessen Regulierung durch den Hypothalamus (und somit einschließlich von Testosteron) erfolgt, wird gehemmt, wenn der Körper große Mengen dieses Hormons (oder einer ähnlichen Substanz) entdeckt.
Wenn man also, sagen wir, Testosteron Enanthat in den Muskel injiziert, gibt man dem Hypothalamus auch die Information, dass in diesem System genug Testosteron vorhanden ist und es aufhören soll, dieses zu produzieren.
Leider erkennt der Hypothalamus jedes anabole Steroid als Testosteron, aber die negative Rückkopplung ist mit einigen Steroiden stärker (z. B. mit Nandrolon) als mit anderen (z. B. Oxandrolon).
Die Testosteronhemmung führt zur Schrumpfung der Hoden, Verlust der Libido, erektiler Dysfunktion, Stimmungsschwankungen und anderen Symptomen, die mit niedrigem Testosteronhaushalt verbunden werden.
Die Hemmung kann entweder reversibel oder – wenn das Steroid zu stark und zu lang eingenommen wurde – irreversibel sein. Irreversible Testosteronhemmung bedeutet, dass der Körper für den Rest des Lebens kein Testosteron mehr produzieren kann. Obwohl ich noch nie von jemandem gehört habe, dem das passiert ist, habe ich Menschen getroffen, die eine offenbar durch AAS-Missbrauch gesenkte Testosteronproduktion haben.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Testosteronhemmung zu bekämpfen: die Einnahme von Steroiden in Zyklen und die Durchführung einer post-zyklischen Therapie.
Das ganze Konzept der Zyklen bedeutet, dass die „Therapie“ nach mehreren Wochen beendet wird und dann wiederholt wird, wenn die Testosteronproduktion wieder normal aufgenommen wurde. In der Regel unterziehen sich die Bodybuilder keinem medizinischen Test, der beweist, dass ihre Testosteronproduktion wieder zu 100 % wie vorher funktioniert. Sie folgen einfach einem Plan (z. B. 10 Wochen Zyklus und 2 Monate Pause) oder verlassen sich auf ihre subjektiven Gefühle. Wir können daher die Möglichkeit nicht ausschließen, dass unsere natürliche Testosteronproduktion sinkt.
Die „post cycle therapy” (auch PCT) basiert auf der Einnahme bestimmter Medikamente mit hormonellen Effekten. Diese Medikamente wie Clomifen, Tamoxifen oder Anastrozol (die auch unter ihren Handelsnamen Clomid, Nolvadex und Aramidex bekannt sind) senken das Östrogenhormon (weibliches Steroidhormon) und unterstützen die Testosteronproduktion durch eine andere Form der negativen Rückkopplung.
Es sollte betont werden, dass die Anwendung einer PCT ein weiterer Eingriff in unser Hormonsystem ist und als solcher mehr Schaden als Nutzen bewirken kann. Jeder, der vorhat, AAS zu verwenden, sollte sich dessen bewusst sein.
Leberschäden
Anabole Steroide in Pillenform sind üblicherweise chemisch so verändert, dass die aktive Substanz die Leber passiert, ohne gespalten und abgebaut zu werden.
Diese chemische Veränderung wird 17-alpha-Alkalierung genannt. Die 17-alpha-alkalierten Steroide sind immer leberschädlich und die Toxizität hängt von der eingenommenen Menge ab.
Tatsächlich gibt es viele andere gebräuchliche Medikamente, die in Abhängigkeit der Dosierung eine toxische Wirkung für die Leber haben: Schmerztabletten, NSAR, Statine, Antibabypillen und viele andere. Das Problem bei den AAS ist, dass sie in viel höherer Dosierung eingenommen werden, als wofür sie hergestellt wurden.
Erhöhte Leberenzyme sind das häufigste Anzeichen von Leberproblemen. Wenn man nicht anders kann und auf der (oralen) Einnahme von Steroiden besteht, sollte man seine Leber zweimal jährlich testen lassen. Erhöhte Leberenzyme sind nicht immer Anzeichen einer Krankheit – sie sind eher eine Warnung, dass in diesem sehr wichtigen Organ etwas vorgeht und eine Leberentzündung oder sogar Nekrose sind reale Möglichkeiten.
Gynäkomastie
Unter normalen Umständen wird ein Teil des Testosterons in unserem Körper immer in Östradiol, das wichtigste weibliche Steroid, umgewandelt. Dieser Vorgang wird Aromatisierung genannt und das dafür verantwortliche Enzym ist als Aromatase bekannt.
Nicht nur Testosteron aromatisiert zu Östradiol – viele andere anabole Steroide ebenfalls. Dies stellt ein ernstes Problem für Konsumenten von AAS dar, den als Unterstützung für das Muskelwachstum benötigen sie Testosteron (und andere Steroide) in sehr hohen (oder supraphysiologischen) Dosierungen.
Im Ergebnis haben supraphysiologische (viel höher als normale) Östradiolspiegel bestimmte Nebenwirkungen, wie z. B. Gynäkomastie (Wachsen weiblicher Brüste bei Männern), Wassereinlagerungen und Fettanlagerungen, von den psychologischen Wirkungen einmal abgesehen.
Einige anabole Steroide (wir denken da an Trenbolon) aromatisieren nicht, stimulieren aber direkt die Östrogenrezeptoren, was wiederum denselben Effekt wie die Aromatisierung von Steroiden hat.
Man kann fragen: „Aber warum würde jemand überhaupt aromatisierende Steroide verwenden, wenn es auch andere, nicht aromatisierende Substanzen gibt?”
Die Antwort lautet, dass anabole Steroide, die das Östrogen erhöhen, viel größere Erfolge bei der Zunahme von Muskelmasse bewirken. Dies wird durch Wassereinlagerung und teilweise auch Fettansammlung verursacht. Wenn also auch die Muskelmasse nicht wirklich zunimmt, kann der visuelle Effekt wirklich beeindruckend sein.
Die unerwünschten östrogenen Nebenwirkungen werden gewöhnlich durch die Einnahme anti-östrogener Medikamente behandelt. Wie bereits vorher in diesem Artikel erwähnt, ist die Einnahme solcher Medikamente ein weiterer Eingriff in die HHG-Achse und kann verschiedene andere Nebenwirkungen haben.
Kardiovaskuläre Komplikationen
Kardiovaskuläre Krankheiten (Erkrankungen der Herzens und/oder der Blutgefäße) sind ein oft zitierter Nebeneffekt der AAS. Es gibt jedoch keinen direkten Beweis für solche Behauptungen. Was wir aber wissen, ist, dass zumindest einige anabole Steroide einen negativen Einfluss auf das HDL (High Density Lipoprotein) haben. HDL ist das „gute” Cholesterin und Steroide scheinen den Spiegel im System zu senken, sodass das gesamte Lipid-Bild negativ beeinflusst wird.
Wir wissen auch (auch wenn die Forschung auf diesem Gebiet begrenzt und somit noch nicht schlüssig ist), dass Nandrolon, ein sehr beliebtes anaboles Steroid, wahrscheinlich die Endothelzellen der Blutgefäße schädigt.
Anabole Steroide können zumindest bei einigen Benutzern auch hohen Blutdruck verursachen. Das wissen wir aus Erfahrung. Ein hoher Blutdruck wird stark mit Herzkrankheiten in Verbindung gebracht.
Sucht
R.I. Wood ist der Verfasser verschiedener wissenschaftlicher Studien und behauptet, dass Testosteron-Derivate opiat-ähnliche Eigenschaften haben, mit anderen Worten, dass sie Suchtmittel sind.
Dies ist natürlich eine sehr starke Behauptung, die im Widerspruch zu dem allgemeinen Wissen über Testosteron und die verwandten Hormonen steht. Sollte sie wahr sein, würde dies der Gesetzgebung zusprechen, die AAS in dieselbe Gruppe als Narkotika einstuft.
Bevor man anabole Steroide jedoch zu hart verurteilt, sollte man erkennen, dass eine Anzahl häufig verwendeter Substanzen und sogar einige gebräuchliche Lebensmittel opiat-ähnliche Elemente enthalten.
So enthält beispielsweise Weizen Exorphine aus Gluten.
Milch enthält Casomorphine. Beide sind Opioide, die süchtig machen können. Viele ähnliche Peptide können in anderen herkömmlichen Lebensmitteln gefunden werden.
Kaffee, Tee und Schokolade sind auch Suchtmittel, wahrscheinlich schlimmer als Testosteron.